Wing Tsun zur Selbstverteidigung

Wing Tsun Selbstverteidigung

Wie kann ich Selbstverteidigung erlernen und was unterscheidet Wing Tsun von anderen Techniken

Das Interesse an Selbstverteidigung steigt und zeitgleich auch das Angebot an dazu passenden Techniken. Wing Tsun ist eine chinesische Form der Selbstverteidigung, bei der es sich um eine Form des Kung Fu handelt.

Während Kung Fu ein Überbegriff für verschiedene chinesische Formen der Kampfkunst darstellt, ist Wing Tsun eine Schule, bei der es ganz gezielt um Selbstverteidigung in einem praktischen Szenario geht. In diesem Ratgeber zeigen wir Ihnen, warum Selbstverteidigung so wichtig ist, was Wing Tsun von anderen Formen der Selbstverteidigung unterscheidet und wie Sie Wing Tsun erlernen können.

Warum Selbstverteidigung im Alltag hilfreich ist?

Stellen Sie nur einige der typischen Szenarios vor, denen Sie im Alltag begegnen können: Sie stehen nachts an der Haltestelle und eine suspekte Person nähert sich Ihnen, Sie gehen eine dunkle Gasse entlang und werden verfolgt, in der Bar sucht eine angetrunkene Person Ärger und ergreift Sie an der Schulter.

All diese Situationen können zu einer physischen Auseinandersetzung führen und in körperlichen Verletzungen und schlimmerem münden. Es ist in solchen Konfliktsituationen in Ihrem eigenen Interesse zu wissen, wie Sie sich körperlich verteidigen können.

Selbst wenn wir nicht vom schlimmsten Szenario ausgehen, wird Wing Tsun oder die Beherrschung eines anderen Selbstverteidigungsstils Ihnen die physische Präsenz und das nötige Selbstbewusstsein geben, solche Situationen zu entschärfen, entschlossen zu agieren und durch Ihre Ausstrahlung potentielle Aggressoren abzuschrecken.
Zusätzlich wirkt sich das physisch intensive Training positiv auf ihren Körper aus. Sie werden Muskeln auf- und Fett abbauen, eine gesündere Körperhaltung entwickeln, sind den Herausforderungen des Alltags besser gewachsen und ein hartes Tackling auf dem Fußballplatz stecken Sie ebenfalls besser weg.

Die koordinativen Fähigkeiten und die Arbeit mit Ihren Trainingspartner*innen werden Ihnen bei jeglicher Form sportlicher Betätigung und auch im beruflichen Alltag nützlich sein. Dass Selbstverteidigung wie Wing Tsun auch einfach Spaß macht, kommt ebenfalls hinzu.

Was genau ist Selbstverteidigung?

Sprechen wir von Selbstverteidigung, so gibt es ein allgemeines Missverständnis im umgangssprachlichen Gebrauch. Hier werden Selbstverteidigung, Kampfsport und Kampfkunst häufig synonym gebraucht. Es gibt Schnittmengen, es gibt aber auch Unterschiede.

Zu den Kampfsportarten zählen beispielsweise Judo oder Taekwondo, beide Formen setzen auf stilisierte Techniken, die auf einen Punktgewinn abgezielt sind. Beim Taekwondo äußert sich dies durch das Treffen bestimmter Punktzonen am gegnerischen Körper durch Schläge und Tritte. Beim Judo sind es Würfe, Haltegriffe und Hebel, die zur Aufgabe führen sollen bzw. Gegner*innen gezielt zu Boden bringen sollen.
Kampfsport widmet sich der Auseinandersetzung im Wettbewerbskontext und der technischen Perfektion der Techniken. Das bedeutet nicht, dass Kampfsport nicht auch zur Selbstverteidigung eingesetzt werden kann und dass es keine Schnittmengen gibt, aber die Ziele sind grundsätzlich andere.

Die Kampfkunst (in der reinen Definition) lässt sogar den Wettbewerbskontext aus und widmet sich ausschließlich dem Meistern der Techniken, der Balance und der Ausführung. Ein klares Beispiel hierfür sind codierte Bewegungssysteme wie die Kata im Karate.

Kampfkunst und Kampfsport sind näher miteinander verwandt als sie es mit der Selbstverteidigung sind, denn hier werden Codes und Regelwerke eher stiefmütterlich behandelt. Bei der Selbstverteidigung geht es knallhart um den Schutz der eigenen Person und dem Schutz der Mitmenschen während eines gerade stattfindenden oder kurz bevorstehenden körperlichen Angriffs. Das Ziel ist nicht das Erreichen perfekter Ausführung oder das Erzielen eines Punktes, sondern das Unterbinden des Angriffs und das Ausschalten der angreifenden Partei(en).
In der Regel werden Selbstverteidigungsschulen als Unterkategorie des Kampfsports betrachtet.

Welche Kampfsportarten eignen sich zur Selbstverteidigung?

Zunächst einmal sollten hier reine Selbstverteidigungsarten betrachtet werden, dazu zählt etwa Wing Tsun. Wing Tsun hat seine Grundlage im Kung Fu und nutzt ähnliche Techniken für die Paradigmen der Selbstverteidigung während eines Angriffs.

Etwas anders verhält es sich mit Krav Maga, die israelische Selbstverteidigungsform hat ihren Ursprung im Militär, wird heute in militärisches und ziviles Krav Maga getrennt. Beim zivilen Krav Maga geht es um das Abwenden von Angriffen aus Alltagsszenarien und das Ausschalten der angreifenden Personen. Eingesetzt werden hier Knie- und Ellbogenstöße und harte Schläge und Kicks.
In Deutschland beliebt ist die Selbstverteidigungsart ATK (Anti-Terror-Kampf), die Elemente aus Kampfsportarten mit Hebeln, Würgen, Kratzen und sogar Beißen verbindet. Das sieht in der Praxis oft chaotisch und brutal aus, aber das Ziel ist hier die Verteidigung, nicht die Ästhetik.

Ebenfalls gut geeignet sind Kampfsportarten, die beim MMA zum Einsatz kommen wie Muai Thai oder Jiu Jitsu. Beide setzen auf harte Schläge und Kicks, sowie Hebel und Würgetechniken. Je weniger eine Kampfsportart Trefferzonen und Techniken reglementiert, desto besser eignet sie sich zur Selbstverteidigung.

Was macht Wing Tsun als Selbstverteidigung so besonders?

Dass Wing Tsun seine Wurzeln im Kung Fu hat, wird sofort klar. Beim Wing Tsun erlernen Sie Schlag-, Tritt- und Blocktechniken von Grund auf, zudem steht eine physikalische Komponente im Vordergrund, die bei westlichen Sportarten oft ausgeblendet wird.

Sie werden im Training die Positionierung Ihres Körpers erlernen und über Hebelwirkungen und Kraftrichtungen nachdenken müssen. All dies erfolgt auf körperlich praktischer Ebene, damit Sie es im Ernstfall abrufen können, ohne darüber nachzudenken.

Selbst ohne Vorkenntnisse können Sie Wing Tsun erlernen und werden ein gutes Verständnis für offensive Verteidigung erlernen. Hierzu gehören Schläge und Schlagarten (bspw. Jab, Punch, Backfist) und unterschiedliche Kicks (bspw. Sidekick, Roundhouse, Frontkick) und Blocks.

Anders als vergleichbare Selbstverteidigungsarten setzt Wing Tsun auf ein Element der Gleichzeitigkeit, Abwehr und Angriff werden also miteinander kombiniert und so verbunden, dass Gegner*innen nach der Abwehr ihres Angriffs sofort angegriffen werden. Da Angriffsszenarien in der realen Welt keinem Offensivrecht entsprechen (wie dies etwa im Florettfechten der Fall ist), hilft Ihnen diese Realitätsnähe dabei, Defensive und Offensive verbinden zu lernen.

Anders als beispielsweise ATK oder Krav Maga setzen Sie beim Wing Tsun gezielt Schläge und Tritte ein, schulen also auch das Element körperlicher Kraft.

Wing Tsun oder Wing Chun – was sind die Unterschiede?

Ursprünglich wurden beide Formen als westliche Transkription aus dem Kantonesischen genutzt und gelten auch heute häufig noch als Synonyme.
Unterschiede gibt es allerdings je nach Verbandszugehörigkeit in der Auslegung. Wing Chun gilt als der Stil von Ip Man, während Wing Tsun im offiziellen Verband als Neuauslegung des Unterrichtssystems gilt.
Da es bei beiden Systemen aber um Selbstverteidigung und Selbstbehauptung im Kampf geht, unterscheiden sich die Schulen eher im Einsatz unterschiedlicher Techniken als in der grundlegenden Philosophie. Gerade im europäischen Raum werden die Begriffe Wing Tsun und Wing Chun von vielen Schulen gleichwertig behandelt.

Wing Tsun – selbst lernen oder lieber mit Kurs und Trainer*in?

Sie sollten Wing Tsun unbedingt mit professionellen Ausbilder*innen und in einem Kurs lernen. Alleine können Sie zuhause Schlag- und Tritttechniken verfeinern, aber das grundlegende Training muss unter professioneller Aufsicht erfolgen. Viele Block-, Hebel- und Angriffstechniken können zudem nur mit Partner*innen eingeübt werden, weswegen es weder effizient noch vollständig möglich ist, Wing Tsun selbst zu erlernen.

Die Formen können selbst ausgeführt werden, bedürfen jedoch ebenfalls (aufgrund ihrer technischen Komplexität) zunächst professioneller Aufsicht.

Ist Wing Tsun für Frauen geeignet?

Als Selbstverteidigungsdisziplin ist Wing Tsun sowohl für Männer als auch für Frauen geeignet. Es geht nicht darum, körperliche Überlegenheit aus der Kraft heraus zu schaffen, sondern durch Technik und Klarheit in Körpersprache und Ausstrahlung.

Anders als beim Kampfsport, in dem es Gewichtsklassen und Geschlechterkategorien gibt, ist Selbstverteidigung unabhängig hiervon. Es muss einer weiblichen Verteidigerin möglich sein, sich gegen einen größeren und schwereren Mann zur Wehr zu setzen. Die Techniken im Wing Tsun sind speziell auf solche Szenarien ausgerichtet, dennoch kann es empfehlenswert sein, einen Wing Tsun-Kurs zu besuchen, der sich speziell an Frauen richtet.

Durch den Fokus auf die weibliche Physis wird bereits im Training ein Szenario erarbeitet, bei dem kraftunabhängige Lösungen eine stärkere Rolle spielen.
Auch werden speziell Übergriffe wie sexuelle Belästigung, Vergewaltigung und häusliche Gewalt, von denen überproportional Frauen betroffen sind, thematisiert.
All dies sollte Frauen aber nicht davon abhalten, gemeinsam mit Männern Wing Tsun zu trainieren und zu erlernen. Schließlich sollten Sie auch als Frau schon sehr früh ein Gefühl dafür bekommen, wie es sich anfühlt, sich gegen einen zwanzig Kilo schwereren und zehn Zentimeter größeren Mann zu verteidigen.

Wing Tsun – Selbstverteidigung aus dem Land der Mitte

Selbstverteidigung zu erlernen ist aus den unterschiedlichsten Gründen für unterschiedliche Menschen wichtig. Natürlich sind Wing Tsun und Co. auf das Training des Ernstfalles ausgelegt: Wie können Sie sich verteidigen, wenn Sie körperlich angegriffen werden?

Doch auch abseits dessen ist diese Form der sportlichen Betätigung für Menschen jeden Alters interessant, denn sie schult unseren Umgang mit Schmerzen, mit Trainingspartner*innen und mit dem eigenen Körper.
Es geht um das Einüben von Techniken, aber auch um die richtige Körpersprache und Ausstrahlung. Es geht um das Verhindern und Unterbinden von Konfliktsituationen, ehe Angreifer*innen ihr volles Gewaltpotential entfalten können.

Gleichzeitig ist Wing Tsun besonders reizvoll, da hier auch Elemente aus dem Kung Fu eine stärkere Rolle spielen. Da Schläge, Blöcke und Kicks zum Arsenal gehören und somit auch die Grundlage für andere Disziplinen geschaffen wird. Wing Tsun gehört zudem zu den ästhetischeren Selbstverteidigungsdisziplinen und arbeitet mit fließenden Bewegungen und Übergängen sowie stilisierten Formen für Solo-Einheiten.

Quellen:
de.wikipedia.org/wiki/Wing_Chun
dragoswingtsun.com
wing-tsun-frauen.de

Foto: Depositphotos.com – Andreyfire

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