Warum Selbstverteidigung für Frauen? Welcher Kampfsport ist geeignet?
An Muskelkraft sind Frauen Männern unterlegen. Aber ob sie sich im Notfall selbst verteidigen können, hat nicht unbedingt etwas mit Kraft zu tun, sondern mit Schnelligkeit, Geschick und gekonntem und gezieltem Einsatz der Gegenwehr – und dem Bewahren eines kühlen Kopfes. Frauen, die das gelernt haben, sind wehrhaft und fühlen sich in potentiell gefährlichen Situationen selbstsicherer, weniger ängstlich und nicht lediglich als Opfer. Das Selbstbewusstsein und die Sicherheit, die sie ausstrahlen, kann die Lage von vornherein entschärfen und verhindern, dass es überhaupt erst zu einem ernsten körperlichen Angriff und der Notwendigkeit zur Selbstverteidigung kommt.
Frauen sind leider immer wieder und in vielen Situationen männlicher Gewalt ausgesetzt. Sehr viele müssen diese unerfreuliche Erfahrung machen. Auch für Mädchen und ältere Frauen ist es sinnvoll, sich im Ernstfall zur Wehr setzen zu können.
Und, nicht unwichtig: Selbstverteidigungskurse können der Fitness dienen, sie können Reaktionsfähigkeit und Beweglichkeit fördern.
Welcher Selbstverteidigungskurs ist für Frauen geeignet?
Crashkurse sind sehr verlockend, denn sie geben vor, Frauen schnell ein paar Handgriffe und Tritte beizubringen, mit denen sie sich wirkungsvoll gegen Angreifer zur Wehr setzen können. Wie fast alle sehr einfachen Tricks und Tipps für wirklich schwierige Situationen sind auch diese fürs richtige Leben nicht sonderlich hilfreich. Frauen, die Selbstverteidigung lernen möchten, müssen bereit sein, eine ganze Weile ernsthaft zu trainieren, auch mit Männern, nicht nur mit anderen Frauen. Erkundigen Sie sich danach, wenn Sie einen Kurs suchen. Frauen, die davor zurückschrecken, mit Männern in engen und unangenehmen Körperkontakt zu kommen, sollten von Selbstverteidigungskursen Abstand nehmen.
Und: Es ist nötig, auch mental an sich zu arbeiten. Es ist alles andere als einfach, einen Angreifer energisch abzuwehren, schon deswegen, weil eine Frau, die plötzlich physisch angegriffen wird, verständlicherweise unter Schock steht. Trainiert werden muss, sich von einem zornigen, aggressiven Mann nicht einschüchtern zu lassen. Das lernt keine Frau in einem Wochenendkurs mit anderen netten Geschlechtsgenossinnen.
Selbstverteidigung ist bereits für Mädchen sinnvoll
Gerade Mädchen können in sehr unschöne Situationen geraten. Ihre Unerfahrenheit lässt sie Gefahren oft zu spät erkennen. Für Mädchen gilt im Prinzip dasselbe wie für Frauen, oft sogar in verstärktem Maße, gerade, weil ein Mädchen normalerweise deutlich kleiner und schwächer als der Angreifer ist. Ihr Vorteil ist ihre Reaktionsfähigkeit und ihre Wendigkeit. Auch sie und ihre Eltern sollten sich nicht von Versprechungen verführen lassen, dass sie nur ein paar Tricks können müssen, um sich effektiv zur Wehr zu setzen.
Welche Kampfsportarten sind für Frauen geeignet?
Kampfsport ist keine Selbstverteidigung. Im Kampfsport wird die Auseinandersetzung in einem sportlichen Kräftemessen gesucht, sie wird nicht vermieden. Es wird nicht mit unfairen Mitteln gekämpft. Ein Angriff eines fremden übelwollenden Mannes kann damit nicht verglichen werden. Dennoch, abgesehen vom eigentlichen Sinn des Trainierens der Fitness und der Beweglichkeit, kann Kampfsporterfahrung natürlich helfen, sich in einer Gefahrensituation wirkungsvoll zur Wehr zu setzen.
Jiu Jitsu, Judo, Kendo, Karate, Taekwondo, Kickboxen, Aikido sind Kampfsportarten, die vielen Frauen noch am ehesten gefallen. Die runden, harmonischen Bewegungen im Aikido sind sehr ästhetisch, die Idee, die dahintersteht, die Kraft des Angreifers zu nutzen, sie umzulenken und gegen den Aggressor selbst zu richten, kommt Frauen entgegen. Taijiquan, Qi Gong und Ba Duan Jin stammen aus dem Kampfsport, was oft kaum noch erkennbar und nicht mehr allgemein bekannt ist. Frauen sind in diesen Sportarten – denn um solche handelt es sich – stark unterrepräsentiert. Wenn Frauen überhaupt Kampfsport ausüben, dann entscheiden sie sich für einen, der ihrer Fitness und Gesundheit dient, der schöne, fließende, elegante Bewegungen trainiert.
Die asiatischen Kampfsportarten haben immer auch eine geistige Komponente. Es geht nicht nur um einen körperlichen Kampf. Sich darauf einzulassen ist für Frauen aber meist kein Problem.
Noch mal: Kampfsportarten dürfen nicht mit Selbstverteidigung gleichgesetzt werden!
Selbstverteidigungskurse für Frauen bei der Polizei
Auch Polizei und Polizeisportvereine bieten Selbstverteidigung für Frauen an. Verhalten, Gestik, Einsatz von Stimme und im schlimmsten Fall von Verteidigungstechniken bis hin zum gezielten Einsatz von Alltagsgegenständen als Waffen werden geübt, also auch körperliche Gegenwehr. Diese Kurse vermitteln Grundwissen, sind aber kein Ersatz für ernsthaftes Training. Sie können helfen, zu erkennen, was geübt werden muss.
Krav Maga für Frauen
Krav Maga (hebräisch für „Kontaktkampf“) ist eine sehr effektive Nahkampftechnik, die in der israelischen Armee entwickelt wurde und dort Männern und Frauen vermittelt wird. Seit einiger Zeit schon findet es auch Anwendung in der Ausbildung bei Bundeswehr und Polizei. Reflexe und relativ einfache Techniken werden trainiert. Das Ziviltraining ist um einiges zahmer als die militärische Variante. Für Frauen ist das besonders interessant, denn auch dieses System funktioniert unabhängig von Muskelkraft oder Körpergröße. Schläge und Tritte werden geübt, nicht alles ist sportlich-fair, aber darum geht es bei Krav Maga nicht, sondern um die Selbstverteidigung im absoluten Notfall.
Zuerst setzt ziviles Krav Maga aber auf Deeskalation und auf verbale Gegenwehr, auf das richtige Verhalten, das die Bedrohung oft schon im Keim ersticken kann.
Dieses Training wird für Frauen und Mädchen angeboten, sogar schon für Kinder ab 6 Jahren. Neuerdings gibt es solche Kurse auch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen.
Selbstverteidigung für Seniorinnen
Täter greifen Seniorinnen an, weil sie mit wenig oder gar keiner Gegenwehr rechnen. Ältere Menschen, Frauen ganz besonders, erscheinen ihnen als leichte Opfer.
Selbstverteidigungskurse für diesen Personenkreis haben das Ziel, zu mehr Mut und Selbstsicherheit zu verhelfen und für den Notfall einfache und wirkungsvolle Techniken der Gegenwehr einzuüben.
Am Anfang stehen, wie bei jeder Selbstverteidigung, Methoden zur Prävention und Deeskalation. Dann erst, wenn nichts anderes mehr hilft, soll eine körperliche Verteidigung in Frage kommen, bei älteren Menschen ganz besonders.
Fazit
Versprechen, für schnelle und mühelose Erfolge zu sorgen, sollten mit großem Misstrauen betrachtet werden. Wirklich effektive Selbstverteidigung kann nicht in wenigen Stunden erlernt werden. Kurse, in denen Frauen unter sich sind, mögen bei vielen Beifall finden, sie sind aber nicht besonders hilfreich. Selbstverteidigung ist weder bequem noch angenehm noch mühelos. Ängste müssen überwunden und Komfortzonen verlassen werden, wenn Gegenmaßnahmen für den Ernstfall gelernt und geübt werden sollen.
Selbstbehauptung und Gegenwehr in Gefahrensituationen beginnt mit richtigem Verhalten und verbalen Methoden der Deeskalation. Auch das ist der Inhalt eines zielführenden Trainings. Diese Überlegungen können Entscheidungshilfen für die Auswahl eines Kurses sein.
Und schließlich: Kampfsportarten sind Sportarten, sie dienen nicht in erster Linie der Selbstverteidigung.
Es ist allen Frauen und Mädchen zu wünschen, dass sie nie in eine Situation kommen, in der sie sich körperlich zur Wehr setzen müssen. Klüger und sicherer ist es jedoch immer, auf so einen Fall vorbereitet zu sein.
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